Die urkundliche Ersterwähnung

Das Jahr, in dem Bermuthshain "gegründet“ wurde, in dem auf dem Boden des heutigen Dorfes das erste Haus entstand, wird wohl für immer im Dunkel der Geschichte bleiben. Kein einziges Schriftstück berichtet unmittelbar vom Aufbau einer Siedlung, weder im Fall von Bermuthshain noch von einem anderen Vogelsbergdorf. Dennoch gibt es für jedes Dorf und auch für Bermuthshain ein Datum, mit dem die Ortsgeschichte beginnt und welches gemeinhin Anlass ist, Jubiläen zu feiern.

Die Rede ist von der "urkundlichen Ersterwähnung“, der ersten Nennung des Ortsnamens in einer mittelalterlichen Urkunde. Dabei interessiert bei Dorfjubiläen nicht selten nur das Datum selbst. Außer Acht gelassen wird zumeist der inhaltliche und geschichtliche Zusammenhang, in dem die erste Erwähnung eines Ortes erfolgt. Die urkundliche Ersterwähnung darf selbstverständlich nicht, was aber recht häufig geschieht, mit der tatsächlichen "Gründung“ eines Dorfes verwechselt werden. Dieses ist oft sehr viel älter ist als die erste Nennung in einer Urkunde, welche stets auf historischen Zufällen wie z. B. der Funktion eines Dorfes als Grenzpunkt in einer Grenzbeschreibung beruht. Um aber in einer Urkunde genannt zu werden, musste ein Ort ja bereits schon bestehen.

Urkunde des deutschen Königs Heinrich II. über die Schenkung des Forstes "Zundernhart" an das Kloster Fulda, ausgestellt in der Königspfalz in Pöhlde am 29. Dezember 1012. Die Urkunde gilt als das erste Schriftstück, in dem Bermuthshain erwähnt wird.

Die Anfänge der heutigen Siedlungen im Vogelsberggebiet fallen in die weitgehend schriftlose Zeit zwischen der germanischen Völkerwanderung und der Herrschaft Karls des Großen, also den Zeitraum von etwa 400 bis 800. Es wäre jedoch verfehlt, zu sagen, dass die Region vor diesem Zeitraum völlig menschenleer geblieben ist. Das Vorhandensein einer großen bronzezeitlichen Nekropole im Oberwald spricht eindeutig dafür, dass in der Nachbarschaft des heutigen Bermuthshain bereits in frühkeltischer Zeit eine Siedlung existierte.

Weite Teile des Vogelsberges und der benachbarten Wetterau gehörten im Hochmittelalter zur Grundherrschaft der 744 von Bonifatius gegründeten Abtei Fulda. Nach dem Märtyrertod des Bonifatius am 5. Juni 754 in Friesland wuchs der Einfluss der Fuldaer Äbte durch die vermehrten Schenkungen von Adeligen an das Kloster. Die Überführung des Leichnams von Bonifatius von Mainz nach Fulda erfolgte auf alten vorgeschichtlichen Handelswegen nur etwa 4 km nördlich am heutigen Bermuthshain vorbei.

Seit dem beginnenden 9. Jahrhundert wurde die Besiedlung des Vogelsberges über die Täler aus der zunehmend übervölkerten Wetterau verstärkt vorangetrieben. Die um 1160 von dem Fuldaer Mönch Eberhard getätigten Abschriften aus Urkundenabschriften (Kartularen) der Abtei Fulda nennen für das 8. und 9. Jahrhundert eine große Anzahl adeliger Schenker, die sich besonders am Rande des Vogelsberges als Siedlungsunternehmer betätigt haben dürften. Mehrfach werden schon vor 800 ausdrücklich eingegrenzte Rodungsgebiete (Bifänge) genannt. In dieser Zeit dürfte die Besiedlung schon bis in den Oberwald hineingereicht haben. Orte wie Burkhards sind dieser Epoche des Landesausbaus durch Rodungen und Siedlungsgründungen zuzurechnen.

Dass auch der spätere Gerichtsort Crainfeld wahrscheinlich bereits im 9. Jahrhundert bestand, geht aus einer Schenkungsnotiz hervor, welche ebenfalls in den erwähnten Abschriften Eberhards überliefert worden ist. Ihr zufolge schenkte ein Cancher de Creienfelt seine Güter in der Rodeheimeremarca dem heiligen Bonifatius, d. h. dem Kloster Fulda. Wenn auch das Jahr der Schenkung und die genaue Lage des Ortes nicht überliefert sind, so kann man doch mit einiger Berechtigung Creienfelt mit dem heutigen Crainfeld identifizieren. Mit der Rodeheimeremarca ist die Gemarkung von Rodheim an der Horloff in der Nähe von Nidda gemeint. Dies lässt Raum für Spekulationen über die mögliche Herkunft der ersten Ansiedler im Raum Crainfeld offen.

Der Historiker Hermann Kratz nahm in seinem Aufsatz Die politische Erfassung und Struktur des Vogelsberggebietes im 12. Jahrhundert im Hessischen Jahrbuch für Landesgeschichte 1966 an, dass die Ortschaften im Bereich der mittelalterlichen Kirchspiele Crainfeld und Wingershausen auf einem durch das Kloster Fulda gelenkten Siedlungsvorstoß beruhten. Dieser erfolgte seiner Ansicht nach über zwei alte Verkehrswege, die "Hohe Straße“ und die "Fuldaer Straße“, aus dem reichen Besitz der Abtei um Echzell und Bingenheim bis Nidda heraus.

Zeitlich lässt sich diese Besiedlung nach Kratz durch die zu Beginn des 11. Jahrhunderts erfolgten Gründungen der Pfarreien Crainfeld und Wingershausen eingrenzen. Der Fuldaer Mönch Eberhard gibt in seinen Abschriften der Termineiurkunden die Jahreszahlen 1016 (für Wingershausen) und 1020 (für Crainfeld) an. Dabei handelt es sich jedoch in beiden Fällen nachweislich um nachträgliche Fälschungen Eberhards. Ein Druck von 1607 überliefert nämlich den Text der damals noch erhaltenen Originalurkunde. Sie enthält als Datumsangabe das Jahr, in dem der Fuldaer Abt Erkanbald auch bereits Erzbischof von Mainz war, nämlich im Jahr 1011. Dies ist somit als tatsächliches Gründungsjahr der Crainfelder Kirche anzusehen.

Bis 1011 war dieser Raum des Vogelsberges noch nicht kirchlich versorgt, wohl wegen seiner geringen Besiedlungsdichte, obgleich in der Nachbarschaft mit Salzschlirf, Großenlüder und Unterreichenbach bereits ältere fuldaische Pfarreien existierten. Die Crainfelder und Wingershäuser Kirchengründung sind in direktem Zusammenhang mit dem parallel dazu erfolgenden Landesausbau durch den Kirchengründer, die Abtei Fulda, zu setzen. Der Landesausbau machte nämlich die Gründung der Pfarrei zur besseren kirchlichen Versorgung überhaupt erst notwendig. Eindeutig nachweisbar ist der Zusammenhang zwischen Kirchenbau und Ortsgründung nach Kratz in Breungeshain, dessen Pfarrei 1067 gegründet wurde, aufgrund der Lage der Kirche in der dortigen Breitstreifenflur.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass nur ein Jahr nach der Crainfelder Kirchenweihe der Fuldaer Abt Brantho vom deutschen König Heinrich II. die Schenkung des Forstes Zundernhart erwirkte, der weite Teile des Ostvogelsberges umfasste. Mit der Schenkung des Forstes war nämlich auch das Recht zur gesamten Waldnutzung verbunden, deren wichtigste Nutzungsform in dieser Zeit die Rodung war. Auch dies ist ein Beleg für die gerade im Gang befindliche Rodung und Besiedlung im südöstlichen Vogelsberg um diese Zeit.

Die Königsurkunde vom 29. Dezember 1012

Eine besondere Bedeutung kommt der am 29. Dezember 1012 in der Königspfalz in Pöhlde am Harz ausgestellten Urkunde für die Ortsgeschichte von Bermuthshain zu. Sie gilt heute nämlich als das Schriftstück, in dem Bermuthshain zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird. Auch weitere Ortschaften werden in dieser Königsurkunde erstmals genannt. Dies sind Rothemann, Büchenberg, Kalbach (verm. Mittelkalbach), und Langenau (Weiler bei Magdlos) im heutigen Landkreis Fulda sowie Weidenau, Gunzenau, Ilbeshausen und Herbstein im heutigen Vogelsbergkreis. Wie alle hochmittelalterlichen Urkunden ist auch diese in lateinischer Sprache verfasst:

In nomine sanctae et individuae trinitatis. Heinricus divina favente clementia rex.

Si eclesiarum die loca alicuius doni incremento sublimare vel meliorare studuerimus, nobis nostrique regni statui id proficere minime dubitamus. Quapropter omnium fidelium nostrorum presentium scilicet ac futurorum industriae notum esse volumus, qualiter nos divini amoris instinctu, interventu quoque ac peticione Branthoy abbatis quandam iuris nostri regni forestim – infra istos fines adiacentem hisque terminis precintam: de Biberaho scilicet ad Uuolfeshart ac inde recte transcurrendo Rodenmannun et Byochineberge usque ad Calbaho et Fliedenu, hinc autem ad Langenaho et Widenaho, hinc vero in Gucenaho et in Mosebrunnen et inde sic recte transiendo loca ufe Creginfelt, Warmuntessneida, Iliuuineshusun a Heribrahtheshusun nec non Slierefa deorsum in Slidesa et sic per deorsum usque in Fuldam – sibi suaeque sanctae aeclesi[a]e in honore die genetris sanctique Bonifacii archiepiscopi et martyris consecratae ac constructae cum banno et cum suis omnibus pertinentiis per hanc nostram regalem paginam in proprium concedimus atque largimur et de nostro iure ac dominio in eius ius et dominium omnono transfundimus, ea scilicet ratione ut predictus abbas Brantho suique successores de predicta foresti et eius pertinentiis liberam dehinc potestatem habeant quicquid sibi inde placuerit faciendi ad usum tamen aeclesiae, omnium hominum contradictione remota. Et ut haec nostrae traditionis auctoritas stabilis et inconvulsa per futura permaneat tempora, hoc preceptum inde conscriptum manu propria corrobantes sigillo nostro insigniri iussimus.

Signum domni Heinrici (M.) regis invictissimi.

Guntherius cancellarius vice Erchambaldi archicapellani regognovi.

Data IIII. Kal. Ianuarii indictione X, anno dominicae incarnationis millesimo XIII, anno vero domni Heinrici regnantis XI; actum Polida; feliciter amen.

Quelle: Monumenta Germaniae Historica, Diplomata Könige 3, Heinrich II., Nr. 253

Ausschnitt aus der Urkunde vom 29. Dezember 1012 mit der Nennung des mit Bermuthshain identifizierten Ortes "Warmuntessneida".

Übertragen in die heutige deutsche Sprache lautet dieser Urkundentext wie folgt:

Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit.

Heinrich durch göttliche Gunst und Milde König.

Wenn wir die Ländereien der Kirche Gottes durch Zuwachs einer Schenkung zu heben und zu bessern trachteten, so zweifeln wir nicht im geringsten daran, dass dies für das Ansehen unserer Herrschaft von Nutzen ist; deshalb wollen wir, dass allen unserer tüchtigen Getreuen, gegenwärtigen wie zukünftigen, bekannt sei, dass wir durch Eingebung der göttlichen Liebe und nach Vermittlung und Ersuchen des Abtes Brantho einen bestimmten Forst, er liegt innerhalb dieser Grenzen und ist von diesen Grenzmarken umgeben: von Biberaho bis Wolfes, von da aus nach Rodenmannun und Byochineberge durchlaufend nach Calbaho und Fliedenu, von hier aber nach Langenaho und Widenaho, von hier wirklich nach Gucenaho und Mosebrunnen, von da gerade durchschreitend die Orte ufe Creginfelt, Warmuntessneida, Iliuuineshusun und Heribrahtheshusun, und gewiß auch zur Slierefa abwärts nach der Slidesa und so abwärts bis zur Fulda; kraft königlichen Rechtes unserer zur Ehren der Gottesmutter, des heiligen Erzbischofs Bonifatius und der Märtyrer gebauten und geweihten heiligen Kirche, mit dem Wildbann und allen Zugehörungen durch dieses unser königliches Schreiben zum Eigentum übergeben und schenken und aus unserem Recht und Herrschaft völlig übertragen in sein Recht und Herrschaft mit der Überzeugung, dass der vorgenannte Abt Brantho und seine Nachfolger über den genannten Forst und seine Zugehörungen von jetzt ab freie Verfügung haben sollen, zu tun, was immer auch ihnen von da ab beliebt zum Nutzen der Kirche, ohne Rücksicht auf aller Menschen Widerspruch. Und damit die Gültigkeit dieser unserer Schenkung für die zukünftigen Zeiten fest und unerschütterlich erhalten bleibt, haben wir befohlen, dass, nachdem wir diesen Befehl mit eigener Hand bekräftigt haben, er mit unserem Siegel versehen werde.

Das Siegel des unbesiegbaren Königs Heinrich habe ich, Kanzler Gunther für den Erzkapellan Erchambald bestätigt.

Gegeben an den 4. Kalenden des Januars in der 10. Indiktion im Jahre der göttlichen Fleischwerdung tausend und dreizehn im elften Regierungsjahr aber des Herrn Heinrichs des Zweiten. Geschehen in Pöhlde. Glückverheißen. Amen.

Übersetzung nach: Gerhard Kalkhof, Die Geschichte des Luftkurortes Ilbeshausen-Hochwaldhausen, Gießen 1993

Zum Zeitpunkt der Schenkung der Zundernhart an Fulda war es noch nicht der Kaiser, der diesen Rechtsakt beurkundete. Heinrich II. regierte, wie schon seit seiner Weihe in Mainz am 7. Juni 1002, im zehnten Jahr „lediglich“ als König in Deutschland. Erst etwas mehr als ein Jahr danach, am 14. Februar 1014, wurde Heinrich II. in Rom durch Papst Benedikt VIII. feierlich zum Kaiser gekrönt. Mehr als ein Jahrhundert nach seinem Ableben 1024 sollte der kinderlose, letzte deutsche Herrscher aus dem Haus der Liudolfinger sogar heiliggesprochen werden. Bereits zu seinen Lebzeiten war Heinrich II. von einer starken Frömmigkeit erfüllt, welche sein Handeln nachhaltig beeinflusste. In der Ausübung seiner Herrschaft stützte er sich vor allem auf die Bischöfe des Reiches und setzte außerdem alles daran, die großen Klöster und Abteien zu reformieren und zu stärken. Vor allem vor diesem Hintergrund ist seine Schenkung an die ehrwürdige, von Bonifatius gegründete, Abtei Fulda vom 29. Dezember 1012 zu verstehen.

Der Ausstellungsort der Urkunde liegt weit entfernt von dem Gebiet, welches sie zum Inhalt hatte. Im Dezember 1012 hielt sich Heinrich II. nämlich in der Königspfalz von Pöhlde auf, heute ein niedersächsisches Dorf und Stadtteil von Herzberg am Harz. Das mittelalterliche Deutschland kannte noch keine zentrale Hauptstadt. Stattdessen reiste der König mitsamt seinem Gefolge im Reich umher, um sein Amt auszuüben. Stützpunkte dieses sogenannten "Reisekönigtums“ waren königliche Höfe mit Saalbauten, die Pfalzen. Unter Heinrich II. war nun Pöhlde, neben Goslar und Merseburg, die am häufigsten aufgesuchte Königspfalz , bis sie 1017 durch einen Brand zerstört wurde.

Geschrieben wurde die Urkunde von einem königlichen Notar, und zwar sehr wahrscheinlich dem Trierer Kleriker Walker. Dieser amtierte als Kaplan am Hof Heinrichs II.. Während seines Aufenthaltes in Pöhlde erkrankte er und blieb bei der Abreise des Königs dort zurück, wo er am 11. Januar 1013 verstarb. Die Urkunde vom 29. Dezember 1012 ist die letzte von ihm verfasste Urkunde in seiner seit dem Mai 1009 währenden Tätigkeit in der königlichen Kanzlei gewesen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass Walker beim Schreiben der Urkunde über Ortskenntnisse verfügte. Er dürfte sich dabei jedoch eines bereits besiegelten Blanquets bedient haben, auf dem nicht ganz sicher zu bestimmende Teile des Protokolls bereits eingetragen waren.

In Fulda wurde das wertvolle Schriftstück in der dortigen Klosterbibliothek aufbewahrt und überstand dort alle folgenden Wirren, darunter auch den Dreißigjährigen Krieg, dem ein nicht unwesentlicher Teil des gelagerten Schriftgutes der Abtei zum Opfer fiel. Nach der Aufhebung des Fürstbistums Fulda 1803 gelangte die Urkunde in das jetzige Staatsarchiv Marburg, wo sie sich bis heute, in hervorragendem Zustand erhalten, befindet. Bereits 1729 wurde der Urkundentext durch Johann Friedrich Schannat in seinem Corpus Traditionum Fuldensium erstmalig veröffentlicht und somit der Geschichtsschreibung zugänglich gemacht. Weitere Publikationen folgten, darunter 1850 im Codex Diplomaticus Fuldensis von Ernst F. J. Dronke und 1903 in den Monumenta Germaniae Historica.

Unter den siebzehn in der Urkunde vom 29. Dezember 1012 genannten Grenzpunkten des Forstes Zundernhart befinden sich neben Gewässernamen vor allem die Namen von Siedlungen. Gemessen an der großen Ausdehnung des Forstes sind relativ wenige, durchweg mehrere Kilometer voneinander entfernte, Grenzmarken verwendet worden. Ein Grund hierfür könnte schlicht der eher begrenzte Raum gewesen sein, der auf dem Pergament zur Verfügung stand und dazu zwang, sich auf die wichtigsten und markantesten Grenzpunkte zu beschränken. Als erster versuchte 1849 der kurhessische Autor Georg Landau, die im Jahr 1012 genannten Grenzpunkte mit bestehenden Ortschaften und Landschaftspunkten in Verbindung zu bringen. In seiner Geschichte der Jagd schrieb er:

Die Gränze hebt an de Biberaho usque Uuolfeshart – von dem an der Nordseite der Milseburg und über Schackau und Langbieber fließenden Bache Bieber bis zum Dorfe Wolferts; ac inde recte transcurrendo Rodemannun – das Dorf Rodemann; et Byochineberg – das Dorf Buchenberg; usque ad Calbaho et Fliedenu – nach Kalbach und Flieden; ad Langenaho – nach dem Hofe Langenau; et Weidenaho – und Weidenau; in Gunzenaho – zum Dorfe Gunzenau; in Mosebrunnen – nach der Quelle der Moos bei Obermoos; et inde sic recta transiendo loca ufe Creginfelt – weiter nach Krainfeld; Warmuntessneida – Bermuthshain; Iluvineshusun – Ilbeshausen; ad Heribrahteshusun – das heutige Herbstein, Slirefa – Altenschlirf, in Slitesa – in die Schlitz und durch dieselbe usque Fuldam.

Quelle: Georg Landau, Die Geschichte der Jagd und der Falknerei in beiden Hessen, Kassel 1849, S. 45

Auf Landau geht somit auch die Identifikation von Bermuthshain mit dem 1012 genannten Warmuntessneida zurück. Seinen Ausführungen sind alle späteren Historiker gefolgt. Wie aber soll aus dem Warmuntessneida von 1012 der auf den ersten Blick so völlig andersartige Ortsname "Bermuthshain“ geworden sein?

Der Genealoge und Heimatforscher Hermann Knodt, vor dem Ersten Weltkrieg Pfarrer in Schlitz, versuchte 1911 in den Geschichtsblättern für den Kreis Lauterbach eine Erklärung für die Wandlung des Bermuthshainer Ortsnamens zu geben. Seiner Ansicht nach bezeichnete Warmuntessneida nicht das eigentliche Dorf, sondern eine an ihm vorbeilaufende und nach ihm oder seinem Gründer benannte Grenzscheide. Es habe sich dabei um eine durch Einschnitte in die Bäume angelegte Markierung oder um einen durch den Wald gehauenen Weg gehandelt.

Der Ort selbst soll nach Knodt zum Zeitpunkt der Ersterwähnung 1012 Warmunteshagen geheißen haben: "zu den Gehegen, Gehöften des Warmunt". Im Laufe der Jahrhunderte wandelte sich dann, so Knodt, das anlautende „W“ am Beginn des Ortsnamens in „B“. In einer Urkunde von 1489 findet sich der Name Bermetzehene. Knodt weist im Zusammenhang damit auf zwei Grenzbeschreibungen des alten Lauterbacher Landgerichtes vom Beginn des 15. Jahrhunderts hin. Dort wird ein und derselbe Grenzpunkt mit den Namen Wilstatt und Bilstadt bezeichnet. Die Verstümmelung der zweiten und dritten Silbe –muntes (1012) zu –metze (1489) hat eine Parallele in dem Wandel des Namens der Wüstung Hadamundes bei Blankenau hin zu dem dortigen Flurnamen Hamels.

Lutz Reichardt deutete rund sechzig Jahre nach Knodt in seiner 1973 erschienen Arbeit Die Siedlungsnamen der Kreise Gießen, Alsfeld und Lauterbach in Hessen den Ortsnamen Warmuntessneida als "Siedlung des Warimunt". Die 1489 belegte Schreibweise Bermetzehene führte er auf Angleichung des mittelhochdeutschen anlautenden „W“ an das mundartliche „B“ und an den Rufnamen "Wermut“ zurück. Das Grundwort –sneida interpretierte er nicht allein als „Schneise“, sondern auch als „Rodung“. Es sei später durch –hagen ersetzt worden, welches eine "umgrenzte Siedlung“ kennzeichnet. Trotz durchaus hinreichender Indizien lässt sich jedoch nicht mit letzter Sicherheit feststellen, ob Bermuthshain tatsächlich mit dem 1012 genannten Warmuntessneida identisch ist.

Die huttische Urkunde vom 23. Juli 1377

Nach der Urkunde König Heinrichs II. von 1012 existieren aus den folgenden 255 Jahren keine erhaltenen Schriftdokumente, in denen der Ort Bermuthshain erwähnt wird. Auch für die nächstfolgende Zeit bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts kann man allenfalls von einer bruchstückhaften Überlieferung sprechen. So ist eine am 23. Juli 1377 ausgestellte Urkunde der Metze von Bleichenbach das zweitälteste Dokument mit Bezug zu Bermuthshain. Darüber hinaus ist sie die älteste Urkunde, in der (im Gegensatz zu der von 1012) auch der Ort Bermuthshain eindeutig und zweifelsfrei identifiziert werden kann.

Die in frühneuhochdeutscher Sprache verfasste Urkunde ist nicht mehr im Original, sondern nur in einer Abschrift in einem Kopialbuch des 16. Jahrhunderts erhalten, das heute in Marburg aufbewahrt wird. Ihr Text lautet:

Ich Metze von Bleychinbach, hern Wilhelms wirtin von Fronhusen, bekennen an dysem uffin briefe allen den, die in sehin odir horen lesin: umbe den hoff zu Hasela mit allem sime zugehorin und mit allen sinen gutin, die dazu gehorin, es sin zehin oder phenniggut odir wie man iz nennit, und mit namen daz dorff zu Berumechan uff dem Fogilsberge gelegin mit allem sime zugehorin, unde glichir wiz, als mir der vorgenante hoff und daz vorgenante dorff geantwort sint worden von myme vorseligin meister Friczen vom Huten, dem got gnade, dasz ich by dem vorgenanten hofe und dorfe solde gesezzin haben myn lebetage und wan ich numme were, so solde der vorgenante hoff und dorff gefallen uf Conrad vom Hutten und sine erben und uff sinen bruder und uff erbin nach myme tode: des bekennen ich vorgenante Metze, dasz ich die vorgenanten gut gegeben han wyder hern Conrad vom Hutten und sinen erbin und sins bruder selgin kinden und irn erbin, glicher wiz als ich tod were, wan sie mir darumbe han gegebin, daz mir gnugit, und sal ich odir myn erbin die vorgenanten vom Hutten nichtes inhindern odir drangen an den vorgenanten guten, an alles geverde, wedir mit worten odir mit werckin. Und des zu urkunde han ich Metze vorgenant mynen elichen wirt, hern Wilhelm von Fronhusen, gebeten, daz er sin eygen ingesigel gehangin hat an diesin uffin brieff durch myner bede willin. Auch bekennen ich Wilhelmine von Fronhusen und ich Rudolff von Rugkingen vorgenant, daz wir durch bede willen der vorgenanten Metzen unser ielicher sin eigin ingesigel hat gehangen zu urkunde an diesin uffin brieff. Datum anno domini M CCC LXX VII., quinta feria proxima ante diem beati Jacobi apostoli.

Quelle: Heinrich Reimer, Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau. 4. Bd., Leipzig 1897 (mit Berichtigung durch den Autor)

Mechthild (Metze) von Bleichenbach war die Witwe des Friedrich von Hutten, eines Mitglieds des fränkisch-buchischen Ritteradelsgeschlechts, welches vor allem durch den aus diesem entstammenden Reichsritter, Humanisten und Dichter Ulrich von Hutten bekannt geworden ist. Ihre zweite Ehe schloß sie mit Wilhelm von Fronhausen. Gemäß der am 23. Juli 1377 ausgestellten Urkunde bestimmte sie, dass sie zwei ihrer Besitzungen an Konrad von Hutten sowie an die Erben seines verstorbenen Bruders gegeben habe. Da Mechthild inzwischen jedoch eine zweite Ehe mit Wilhelm von Fronhausen eingegangen war, verzichtete sie zugunsten der Brüder ihres verstorbenen ersten Mannes Friedrich von Hutten und deren Nachkommen auf die beiden Orte.

Die Besitzungen der Mechthild von Bleichenbach werden namentlich genannt. Es handelte sich zum einen um einen Hof in Altenhasslau mit allen dazugehörigen Gütern. Die zweite Besitzung aber ist das Dorf Bermuthshain mit allen zugehörigen Nutzungen und Rechten, welches präzisierend als auf dem Vogelsberg liegend beschrieben wird. Weiterhin ist zu erfahren, dass der Hof zu Altenhasslau und das Dorf Bermuthshain aus der Hand von Mechthilds verstorbenem Gemahl Friedrich von Hutten stammten und ihr als Witwensitze überlassen worden waren. Wie Bermuthshain jedoch überhaupt erst in den Besitz der Familie von Hutten gelangt ist, ist aus der Urkunde nicht zu entnehmen. Einen Hinweis gibt aber möglicherweise die 1342 bezeugte Belehnung der Brüder Fritz und Lorenz von Hutten mit einem Bifang bei Crainfeld durch Dieter von Erthal.

Schreibweise des Ortsnamens von Bermuthshain als "Bermeltzhainn" im 1556 von Rentschreiber Martin Stolle in Nidda angelegten Salbuch des Gerichts Crainfeld.

Im Gegensatz zum Warmuntessneida der Urkunde von 1012 kann kaum ein Zweifel bestehen, dass mit Berumechan der Ort Bermuthshain gemeint ist. Schon der Zusatz uff dem Fogilsberge gelegin spricht dafür. Zudem existiert eine weitere Urkunde von 1509, welche Besitz der Familie von Hutten in Bermuthshain nachweist. Dieser Urkunde vom 11. März 1509 zufolge verpfändete ein Hans von Hutten mit Genehmigung seiner Brüder Jakob  und Frowin seine Güter zu Alleßberg (Alsberg) und Bermetzhayn (Bermuthshain) für 120 Gulden "guter Frankfurter Währung" an das Kloster zu Hirzenhain. Vertreten wurde dieses durch Prior Johann Nyde und den Konvent. Von den Gütern zu Bermetzhayn wurden von Henn Raubsch und anderen 11 ½ Thornuß (eine mittelalterliche Goldmünze) Jahreszinsen gegeben. Hans von Hutten war ein direkter Nachfahre des Frowin von Hutten und damit einem der Brüder von Friedrich von Hutten, denen bzw. deren Kindern 1377 das Dorf Bermuthshain zurückgegeben worden war.

In dem 1897 erschienenen 4. Band seines Urkundenbuchs zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau fügte der Historiker Heinrich Reimer im Übrigen anstelle der im Kopialbuch überlieferten Ortsbezeichnung Berumechan den neuzeitlich klingenden Namen Bermutshain ein, und zwar mit der Bemerkung: so soll das original haben, das Kopialbuch gibt Berumechan. Es handelt sich hier offensichtlich um eine Eigenmächtigkeit Reimers, der sich hier vorgeblich auf das von ihm als nicht auffindbar bezeichnete Original der Urkunde bezieht.

Auch für diese mutmaßlich verlorene Originalurkunde gilt, was für alle schriftlichen Erwähnungen von Ortsnamen im Mittelalter gilt: Der Ortsname wurde von einem nicht ortsansässigen Verfasser niedergeschrieben, der den ihm nicht selten fremden Namen so zu Pergament brachte, wie er ihn verstanden zu haben glaubte. Die oftmals in verschiedener Weise niedergeschriebenen Ortsbezeichnungen im Mittelalter sollten daher nicht im Sinne heutiger „amtlicher“ Ortsnamen verstanden werden, die weitaus jüngeren Datums sind. Dennoch bieten sie einen Anhaltspunkt, wie ein Ortsname im Mittelalter von den Bewohnern eines Ortes ausgesprochen wurde. Der Name Berumechan, im Original möglicherweise Bermezhan lautend, erinnert dabei schon sehr an die bis heute gebrauchte mundartliche Bezeichnung Bermetzhaa.

Das Fischborner Abgabenverzeichnis von 1489

Noch deutlichere Anklänge an den Ortsnamen im Dialekt weist ein 1489 entstandenes Verzeichnis verschiedener Gülten und Zinsen überliefert, welche den Brüdern Walther, Philipp und Daniel von Fischborn in 24 namentlich genannten Ortschaften und Wüstungen im gesamten Vogelsberg zustanden. Die Urkunde wurde von dem damaligen Alsfelder Pfarrer Dr. Eduard Becker auf dem Dachboden der dortigen Walpurgiskirche aufgefunden und 1911 in Form eines kurzen Auszugs (Regests) von ihm veröffentlicht. Unter den zinspflichtigen Ortschaften wird nun neben Hirchenhayn (Herchenhain) und Grebenhayn (Grebenhain) auch Bermetzhene (Bermuthshain) genannt.

Die Familie von Fischborn hat im Übrigen nichts mit dem gleichnamigen heutigen Ortsteil von Birstein zu tun. Vielmehr entstammten die von Fischborn dem Reichsministerialenstand und sind erstmals 1247 als Bürger in der freien Reichsstadt Gelnhausen nachgewiesen. Obendrein waren sie gleich mehrfach mit der Familie von Hutten verschwägert, wodurch auch hier wieder ein Bezug zu Bermuthshain gegeben ist. Bereits 1332 war das Gericht Crainfeld an einen Johann von Fischborn verpfändet worden.

Das Dienstabkommen vom 11. Dezember 1493

Die mittelalterlichen Bermuthshainer hatten es mit mehreren Herren zu tun. Abgesehen davon, dass die von Hutten und die von Fischborn zumindest teilweise im Besitz des Dorfes waren, gehörte Bermuthshain neben Crainfeld, Grebenhain, Ilbeshausen auch zum Gericht Crainfeld. Es wird in der Urkunde des Fuldaer Abts Heinrich VI. vom 30. November 1332 genannt, in der dieser für 800 Pfund Heller seine burg czu Herbestein (Herbstein) und die Stad mit dem gerichte czu Creyenfeld (Crainfeld) vnd zum Borghartes (Burkhards) an Johann von Fischborn verpfändet. Die Existenz des Gerichts geht erstmals aus dem am 3. Februar 1311 von Graf Engelbert I. von Ziegenhain und Nidda für seinen Sohn Johann und dessen Gemahlin Luitgard ausgestellten Ehekontrakt hervor.

Möglicherweise geht das Gericht Crainfeld auch auf den fuldischen Landesausbau im hohen Mittelalter zurück. Aus den fuldischen Besitzungen in der Wetterau und dem Vogelsberg entstand durch Belehnung von Adeligen mit der Vogtei die schon seit Beginn des 12. Jahrhunderts bezeugte Grafschaft Nidda. Etwa 1205/1206 kam diese durch Erbfall an die Grafen von Ziegenhain. Mit dem Tod des kinderlosen Grafen Johann II. von Ziegenhain am 14. Februar 1450 fielen beide Grafschaften, und damit letzten Endes auch das Gericht Crainfeld und das Dorf Bermuthshain, an die Landgrafen von Hessen.

Das Dienstabkommen ("gedinge") zwischen Landgraf Wilhelm III. und den Männern des Gerichts Crainfeld vom 11. Dezember 1493.

Welcher Art die mannigfaltigen Dienste unter anderem waren, die den Bermuthshainern im Spätmittelalter von ihren Landesherren aufgebürdet wurden, geht aus einem Abkommen (gedinge) hervor, das am 11. Dezember 1493 zwischen Landgraf Wilhelm III. von Hessen (Oberhessen) und den Männern des Gerichts Crainfeld geschlossen wurde.

Demnach sollten die Männer des Gerichts jährlich zehn Gulden den Amtsleuten und Amtsknechten zu Nidda zahlen, wie sie das seit alters getan hätten. Unter den „Männern“ sind die zur Teilnahme an den Gemeindeversammlungen berechtigten Hofinhaber und Hausvorstände zu verstehen. Da ausdrücklich erwähnt wird, dass die Verpflichtungen nach altem Herkomen erfolgen, muss es bereits vor 1493 schon mindestens einmal ein ähnliches gedinge gegeben haben. Darüber hinaus verpflichtete der Landgraf aber noch gesondert die Männer der beiden Dörfer Kreyenfelt und Bernhartsheim, jährlich 100 Viertel Hafer (1 Viertel = 8 Liter) aus dem Amt Nidda auf sein Schloss in Marburg zu fahren. Mit Bernhartsheim kann der Lage der Dinge nach nur Bermuthshain gemeint sein, da ein anderer Ort im Gericht Crainfeld nicht in Frage kommt.

In gewisser Weise markiert das Dienstabkommen von 1493 für Bermuthshain das allmähliche Ende des Mittelalters, wenn auch noch lange nicht das Ende „mittelalterlicher Verhältnisse“. Es ist Ausdruck einer beginnenden Verschriftlichung der Verwaltung, welche für Gericht und Amt Nidda ab der Mitte des 16. Jahrhunderts zur Regel wird und auch die Zahl der Bermuthshain betreffenden Schriftstücke geradezu "explosionsartig“ zunehmen lässt. Ab dieser Zeit existiert eine kontinuierliche schriftliche Überlieferung.